Pichl wertet das anders: „McKinsey erzeugt mit der angeblich sehr großen Zahl von Ausreisepflichtigen einen politischen Handlungsdruck, den die Exekutive, insbesondere das Innenministerium, aufgreift, um harsche Maßnahmen zu rechtfertigen“, sagt er. „Das ist die relevanteste Funktion solcher Studien.“ Angela Merkel etwa verkündete kurz nach der Fertigstellung der Studie Anfang 2017, es brauche eine „nationale Kraftanstrengung“ in puncto Abschiebungen. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, sagt dazu: „Mit solchen Horrorzahlen werden Gesetzesverschärfungen im Umgang mit Flüchtlingen legitimiert.“
Dass die McKinsey-Beratung nicht neutral sei, macht Pichl auch an einer anderen Auffälligkeit fest: Viele der Maßnahmen, die McKinsey in der Rückkehr-Studie empfiehlt, fänden sich auch in den Berichten der „Arbeitsgemeinschaft Rückführung“. Die so genannte AG Rück ist eine Gruppe bestehend aus Mitarbeitern der Innenministerien des Bundes und der Länder sowie einiger Ausländerbehörden, die seit Jahren Rückführungshindernisse moniert. „Da finden sich rechtsstaatlich fragwürdige Projekte wie die Wiedereinführung der Abschiebehaft in Deutschland. Die AG Rück hat außerdem schon sehr früh gefordert, freiwillige und erzwungene Rückkehrmaßnahmen in einer Gesamtstrategie miteinander zu verknüpfen“, sagt Pichl. „McKinsey übernimmt damit die Interessen von Vertretern einer besonders restriktiven Flüchtlingspolitik. Diese parteiischen Vorschläge werden als objektives Wissen verkauft.“
Auf Nachfrage streitet der McKinsey-Sprecher die Parallelen nicht ab, verweist aber darauf, dass für die Auswertung „selbstverständlich auch frühere Berichte ausgewertet und in den finalen Empfehlungen berücksichtigt worden“ seien.
Pichls Urteil fällt trotz all dieser Widersprüche eindeutig aus: „Das Wirken von McKinsey beim BAMF unterminiert rechtsstaatliche Garantien systematisch und nachhaltig. Und davon betroffen sind die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft.“