Die gegenwärtigen Strukturen der Arbeitswelt sind tief in politischen, wirtschaftlichen und historischen Dynamiken verankert. Während viele Systeme sich auf Effizienz und Wachstum konzentrieren, stellen sich zunehmend kritische Fragen zur individuellen Freiheit, Souveränität und dem Verhältnis zwischen Bürgern und staatlichen Institutionen. In dieser Arbeit wird untersucht, ob und inwiefern ein alternatives Arbeitsmodell, das die Verantwortung über Sozialabgaben vollständig den Arbeitnehmenden überträgt und den Bewerbungsprozess umkehrt, einen Gewinn an Freiheit und psychischer Gesundheit bringen kann. Gleichzeitig wird geprüft, ob bestehende Machtstrukturen diesem Wandel entgegenstehen und weshalb.
Im aktuellen Wirtschaftssystem agieren Unternehmen primär im Rahmen gesetzlicher Vorgaben und wirtschaftlicher Interessen. Arbeitgeber entrichten neben dem Bruttolohn auch Beiträge zur Sozialversicherung, darunter zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung. Diese „Arbeitgeberanteile“ sind in Wirklichkeit Teil des Arbeitsentgelts, fließen aber nie vollständig in die Verfügungsgewalt der Arbeitnehmenden. Das System ist auf Effizienz, Planbarkeit und soziale Absicherung ausgelegt, produziert aber auch psychologische und strukturelle Spannungen:
Das alternative Modell basiert auf zwei fundamentalen Änderungen:
Ein solcher Systemwandel tangiert nicht nur ökonomische Prozesse, sondern auch die politische Machtverteilung. Wenn Menschen mehr Souveränität über ihre Zeit und ihren Wert erhalten, verlieren klassische Machtzentren – etwa Großunternehmen, staatliche Institutionen oder elitäre Interessengruppen – ein wichtiges Mittel zur Steuerung gesellschaftlicher Prozesse.
Die Kontrolle über Zeit, Einkommen und soziale Absicherung ist ein zentrales Mittel indirekter Machtausübung. Ein Modell, das diese Kontrolle zurück in die Hände der Menschen legt, bedroht die strukturelle Grundlage vieler Institutionen. Entsprechend groß wäre der zu erwartende Widerstand gegen eine Umsetzung, nicht primär aus ökonomischen, sondern aus machtpolitischen Motiven.
Die Umstellung auf ein vollständig individuelles Abgabensystem erfordert weitreichende rechtliche Anpassungen, etwa im Steuerrecht, in der Sozialgesetzgebung und im Vertragsrecht. Denkbar wäre ein Modell, das freiwillige Sozialversicherungen wie bei Selbstständigen etabliert, ergänzt durch staatliche Mindestabsicherungen.
Auch müsste ein digitales und transparentes Abrechnungssystem geschaffen werden, das die Stundenabrechnung, Beitragszahlungen und Dokumentation automatisiert. Technologien wie Blockchain könnten hierbei eine Rolle spielen, um Vertrauen und Manipulationssicherheit zu gewährleisten.
Psychologisch betrachtet basiert Motivation wesentlich auf Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit. Das aktuelle System untergräbt häufig die Autonomie, da Menschen durch wirtschaftlichen Druck zur Arbeitsaufnahme gezwungen sind, unabhängig von ihren eigentlichen Präferenzen.
Ein Modell, das die Selbstbestimmung über Zeit und Einsatz fördert, kann nachweislich zu höherer Arbeitszufriedenheit, besseren psychischen Gesundheitswerten und nachhaltigerer Leistungsfähigkeit führen. Studien zur Selbstwirksamkeit und zur intrinsischen Motivation untermauern diese Hypothese.
Ein Systemwandel hin zu einem souveränen, selbstbestimmten Arbeitsmodell könnte einen Paradigmenwechsel einleiten. Weniger Kontrolle von oben, mehr Verantwortung und Freiheit für den Einzelnen – das ist nicht nur ein Ideal, sondern könnte auch eine funktionale Antwort auf die wachsenden Krisen von Burnout, Überarbeitung und gesellschaftlicher Entfremdung sein.
Ob ein solches System realisiert werden kann, hängt nicht nur von seiner Machbarkeit, sondern vom Willen zur Machtteilung und der gesellschaftlichen Bereitschaft zur Eigenverantwortung ab. Die Diskussion ist eröffnet.