„Hört endlich auf, Russland zu demütigen!“


Artikel verfasst von

Maike

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Quelle Image: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/hoert-endlich-auf-russland-zu-demuetigen-li.91586

 

Götz Aly analysiert die Sicht Wladimir Putins auf den Zweiten Weltkrieg und entdeckt in der historischen Betrachtung eine aktuelle Botschaft des russischen Präsidenten an den Westen. 


 

In seiner jüngst erschienen Botschaft zum 75. Jahrestag des Kriegsendes erläutert der russische Staatspräsident Wladimir Putin unter anderem Gründe, die zum Hitler-Stalin-Pakt (auch Molotow-Ribbentrop-Pakt) vom August 1939 führten. Wer sich die Botschaft durchliest, wird feststellen, dass sie mit Fakten gespickt ist, die es in sich haben. Gestandene Historiker lieferten die Grundlagen. Liebe Leser, Sie finden diesen Text auf Deutsch auf der Seite der russischen Botschaft in Berlin. Sie sollten ihn lesen, auch wenn Sie (wie auch ich) manches anders sehen.

Putins wichtigstes Argument lautet: Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt von 1939 sei die Folge fortgesetzter diplomatischer und militärischer Demütigungen des Westens gewesen, denen die Sowjetunion wehrlos ausgesetzt gewesen sei. Mit Recht bezeichnet er das Münchner Abkommen von 1938 als den zentralen Sündenfall. Zutreffend spricht er vom „Münchner Komplott“, das die Zerschlagung der Tschechoslowakei einleitete. Verhandelt hatten es die Premierminister Großbritanniens und Frankreichs mit den Diktatoren Mussolini und Hitler, während die Sowjetunion gegen das Abkommen Sturm lief, aber von den Verhandlungen ausgeschlossen wurde. Anders Polen. Dessen damalige Führer annektierten mit Hitlers Hilfe das verkehrstechnisch wichtige tschechische Grenzstädtchen Český Těšín (Teschen) mit dem umliegenden Olsagebiet. „Auch Polen kreiste einem Aasgeier gleich über dem tschechischen Leichnam“, kommentierte Winston Churchill in seinen Memoiren.





Demütigungen der Sowjetunion hatte es in den 1930er-Jahren zuhauf gegeben. Diese und die politischen Reaktionen Stalins kann man sehr unterschiedlich bewerten. Das betrifft insbesondere die mit Nazi-Deutschland in geheimen Zusatzprotokollen verabredeten Annexionen Stalins der Jahre 1939/40. Allerdings sollte man auch mitteilen, was Putin dazu, wenn auch etwas gestelzt, ausführt: „Ich erinnere aber auch daran, dass die Sowjetunion dem sogenannten Molotow–Ribbentrop-Pakt eine rechtliche und moralische Bewertung gegeben hat.“ Damit wurden 1989, wie Putin weiter hervorhebt, „die Geheimprotokolle als ‚Akt der persönlichen Macht‘ [Stalins] offiziell verurteilt, der in keiner Weise ‚den Willen des sowjetischen Volkes widerspiegelt, das nicht für diese Absprache verantwortlich ist‘.“ Warum bleibt diese Passage in unseren Medien fast durchweg unerwähnt?

Wichtiger als die Vergangenheit erscheint mir, dass Putin seine Botschaft mit dem Untertitel „Gemeinsame Verantwortung vor Geschichte und Zukunft“ versah. Er sprach vom schrecklichen Gestern und meinte die Gegenwart. Eindringlich rief er dem Westen zu: Hört endlich auf, Russland zu demütigen! Redet mit uns! Tut uns nicht als schwächliche „Regionalmacht“ ab! Ausführlich behandelt er den Deutschland 1919 auferlegten Versailler Vertrag. „Gerade die nationale Demütigung bildete den Nährboden für radikale und revanchistische Stimmungen in Deutschland“, führt er sehr richtig aus. Nicht ausgeschlossen, dass Präsident Putin daran denkt, auch in Russland könnten sich radikale Stimmungen durchsetzen. Aber uns Deutsche erinnert er sinngemäß mit diesen Worten an die eigene Geschichte: Ihr wisst doch aus eigener Erfahrung, die Schwachen, die Gedemütigten sind die Gefährlichen! Lernt endlich daraus!