Wie schädlich ist Glyphosat wirklich? Das sagt die Wissenschaft


Artikel verfasst von

Maike

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Image farbkombinat/Adobe Stock

Es ist der Blockbuster unter den Unkrautvernichtungsmitteln: Kein anderes Pflanzengift wird so häufig eingesetzt wie Glyphosat. Vor mehr als vierzig Jahren wurde es von der Firma Monsanto patentiert und unter dem Namen "Roundup" vermarktet. Seit kurzem gehört der ehemalige Monsanto-Konzern zur Bayer AG, die das Produkt weiter verkauft. Beliebt ist es wegen seiner tödlichen Gründlichkeit: Glyphosat bringt alle Pflanzen um, die nicht durch Genmanipulation unempfindlich gegen das Gift gemacht wurden. Das heißt: Egal, welches Unkraut sich auf dem Feld breit gemacht hat – Glyphosat, der Chuck Norris der Pflanzengifte, killt sie alle. Aber welche Wirkung hat Glyphosat auf Tiere und Menschen?

Genau darüber ist ein heftiger Streit entbrannt: Auf der einen Seiten betonen Glyphosat-Befürworter, das Mittel werde schon seit Jahrzehnten in großem Stil verwendet, ohne dass sich dadurch gravierende Auswirkungen gezeigt hätten. Auf der anderen Seite fürchten Glyphosat-Gegner, dass es Krebs verursache und schädliche Auswirkungen auf das Ökosystem habe. Auch wenn die Angelegenheit recht kompliziert ist – Glyphosat ist das wohl bestuntersuchte Pflanzengift der Welt. Daher kann mit einigen hartnäckigen Mythen aufgeräumt werden.

Mythos 1: Glyphosat ist für Mensch und Tier völlig harmlos

Glyphosat blockiert ein Enzym, das Pflanzen zum Überleben brauchen. Tiere und Menschen haben dieses Enzym nicht, daher lässt uns Glyphosat weitgehend in Ruhe. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns Glyphosat bedenkenlos übers Müsli gießen können.

Forscher haben Experimente mit Ratten, Bienen und anderen Tieren durchgeführt, um die sogenannte "letale Dosis LD50" zu ermitteln – das ist die Menge, bei der 50 Prozent der Tiere sterben. Dabei zeigte sich, Glyphosat kann tatsächlich akut tödlich sein, allerdings nur, wenn man richtig viel davon abbekommt. Zum Vergleich: Die Menge an Kochsalz, die man braucht, um die Hälfte der Ratten zu töten, ist geringer als die Menge an Glyphosat, die man dafür benötigt. Auch Nikotin und Koffein sind viel giftiger.

Mythos 2: Glyphosat birgt hohes Krebsrisiko

Könnten wir vielleicht Krebs bekommen, wenn wir über lange Zeit kleine Mengen Glyphosat aufnehmen? Um das zu beantworten, kann man nicht einfach die Studienergebnisse über die Giftigkeit von Glyphosat übertragen. Solche Langzeitwirkungen müssen anders untersucht werden.

Zur Krebsgefahr von Glyphosat gibt es mittlerweile viele Studien. Mehrere Umweltbehörden sehen keine Gefahr, dazu gehören etwa die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung BfR, die US-Umweltbehörde EPA, sowie Behörden unter anderem aus KanadaAustralienNeuseeland und Japan. Einen absoluten Konsens in dieser Frage gibt es aber nicht.

Mythos 3: EU und WHO widersprechen einander

Zwei prominente Glyphosat-Studien haben die Debatte der letzten Jahre bestimmt: Einerseits die Entscheidung der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC, die Substanz als "wahrscheinlich krebserregend" einzustufen, andererseits die Einschätzung der europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die zum gegenteiligen Ergebnis kam und Glyphosat für ungefährlich hält.

Wie kann es sein, dass zwei angesehene Institutionen einander so widersprechen? Sitzen bei der IARC etwa übervorsichtige Bio-Fanatiker? Bestehen die EU-Behörden aus draufgängerischen Glyphosat-Lobbyisten? Beides stimmt nicht.

Die beiden Studien hatten lediglich unterschiedliche Aufgaben: Die IARC untersucht, ob eine bestimmte Substanz prinzipiell auf irgendeine Weise in der Lage ist, Krebs auszulösen. Das ist bei Glyphosat durchaus möglich, auch wenn diese Frage umstritten ist. Als “wahrscheinlich krebserregend” stuft die IARC neben Glyphosat auch andere Dinge ein, die wenig Panik auslösen – etwa heißen Mate-Tee oder Rindfleisch. Wurst und Alkohol werden sogar in die noch gefährlichere Gruppe 1 ("krebserregend für Menschen") eingestuft.

Die EU-Behörde EFSA hat eine ganz andere Aufgabe. Sie untersucht, ob eine Substanz bei normaler Anwendung eine Gefahr darstellt. Daher können sogar beide Recht haben: Glyphosat könnte grundsätzlich in extrem hoher Dosis Krebs auslösen, aber in der Menge, in der sie typischerweise auftritt, harmlos sein.

Mythos 4: Glyphosat bringt uns alle um

Versuche mit Mäusen und Ratten spielen eine zentrale Rolle, wenn man die Krebsgefahr von Glyphosat abschätzen will. Das Problem: Wenn von einer Substanz nur ein geringes Krebsrisiko ausgeht, bräuchten Forscher sehr viele Versuchstiere, um diese Gefahr überhaupt nachzuweisen. So weit kommt es aber nicht, denn aus Tierschutzgründen versucht man, mit einer möglichst geringen Zahl an Tieren auszukommen. Das schränkt wiederum zwangsläufig die Aussagekraft dieser Studien ein.





Um überhaupt eine Chance auf einen messbaren Effekt zu haben, werden den Nagetieren meist sehr hohe Mengen an Glyphosat verabreicht. Die Ergebnisse dieser Tests lassen sich nur bedingt auf den Menschen übertragen.

Völlig ausgeschlossen werden kann das Krebsrisiko mit solchen Methoden nicht. Das liegt auch an einem grundsätzlichen Problem wissenschaftlicher Studien: Man kann wissenschaftlich betrachtet nie etwas mit absoluter Sicherheit ausschließen – nicht einmal, dass morgen grünhäutige Außerirdische in Bielefeld landen werden. Man kann allerdings mit großer Sicherheit sagen, dass nicht täglich Außerirdische in Bielefeld landen, denn das hätten wir schon bemerkt.

Auf ähnliche Weise lässt sich sagen: Wenn von Glyphosat eine Krebsgefahr ausgeht, dann kann sie nicht besonders hoch sein, denn sonst hätte man sie bereits statistisch nachweisen können, etwa bei Menschen, die Glyphosat aus beruflichen Gründen ausgesetzt sind. Panik ist also nicht angebracht – aber für eine Entwarnung reicht diese Erkenntnis auch nicht aus. Schließlich ist auch ein geringes Krebsrisiko ein Problem.

Mythos 5: Glyphosat-Spuren in Nahrungsmitteln gefährden unsere Gesundheit

Wenn Spuren von Glyphosat in Nahrungsmitteln gefunden werden, ist die Empörung in den Medien groß: Die europäischen Grünen präsentierten beispielsweise eine Studie über Glyphosat-Rückstände in Eiscreme, Global 2000 warnte vor Glyphosat-Spuren in Bier.

Doch solche Befunde haben kaum Aussagekraft: Forscher können heute schon so winzige Spuren chemischer Substanzen aufspüren, dass sich viele überraschende Dinge in Lebensmitteln aufspüren ließen, wenn man nur genau genug misst. Man muss daher immer die Frage stellen, ob die nachgewiesenen Mengen ausreichen, um eine mögliche Gesundheitsgefahr zu sein.

Eine einfache Rechnung rückt die Zahlen ins richtige Licht: Selbst um vorsichtig angesetzte Glyphosat-Grenzwerte zu erreichen, müsste man mindestens 12.000 Liter Eiscreme löffeln – und zwar jeden Tag. Wer das versucht, bekommt rasch ganz andere Probleme.

Bei Bier ist die Sache noch kurioser: Bier enthält Alkohol, eine Substanz, die erwiesenermaßen tödlich sein kann und von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als mit Sicherheit krebsauslösend eingestuft wird.

Selbst das am stärksten mit Glyphosat belastete Bier enthält immer noch millionenfach mehr Alkohol als Glyphosat. Sich vor Glyphosat mehr zu fürchten als vor Alkohol ist, wie sich über den Lärm der Vögel zu ärgern, während man selbst mit Presslufthämmern ein Haus niederreißt.

Mythos 6: Monsanto ist der Glyphosat-Sünder

Manche Argumente richten sich weniger gegen Glyphosat, sondern eher gegen den Hersteller Monsanto. Der produziert nicht nur das Glyphosat-haltige Unkrautvernichtungsmittel Roundup, sondern praktischerweise auch das Saatgut, das gentechnisch so verändert wurde, dass ihm Glyphosat nichts anhaben kann. Dadurch können Bauern ihre Felder mit Glyphosat besprühen, ohne dass die Nutzpflanzen geschädigt werden, alle anderen Pflanzen hingegen sterben ab. In der EU sind diese speziell manipulierten Saatgutsorten nicht zugelassen – EU-Bauern können Glyphosat deshalb nur einsetzen, bevor die Nutzpflanzen aufs Feld kommen.