Stanen - ein neues Wundermaterial?


Artikel verfasst von

Maike

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Seit dem Nobelpreis für Physik 2016 an David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz für ihre grundegenden theoretischen Arbeiten zu topologischen Phasenübergängen und topologischen Phasen der Materie explodiert die Forschung auf diesem Gebiet geradezu. Im Fokus stehen dabei unterschiedliche Eigenschaften, die es ermöglichen, neuartige elektronische Komponenten zu konstruieren.

Ein topologischer Isolator ist etwa ein Material, das im Innern keinen elektrischen Strom leitet, an der Oberfläche allerdings schon. Topologische Supraleiter wiederum sind Stoffe, die widerstandsfrei Strom leiten - so wie normale Supraleiter. Aufgrund topologischer Eigenschaften ist ihre Supraleitfähigkeit besonders geschützt, sowohl vor äußeren Störeinflüssen als auch gegenüber Defekten im Material selbst. Ausgerechnet Zinn zeigt nun vielversprechende Eigenschaften.

Der Meißner-Ochsenfeld-Effekt belegt Supraleitfähigkeit

Für die Erforschung der Supraleitung ist das Element Zinn ein besonderer Stoff. Im Jahr 1933 entdeckten die deutschen Physiker Walther Meißner und Robert Ochsenfeld an einer Zinnprobe den später nach ihnen benannten Meißner-Ochsenfeld-Effekt, demzufolge Supraleiter ein von außen angelegtes Magnetfeld aus ihrem Inneren verdrängen. Der Nachweis dieses Effekts gilt heute noch als Schlüsselexperiment zum sicheren Beleg der Supraleitfähigkeit eines Materials.

Seit einigen Jahren steht Zinn wieder im Fokus der Materialforscher: Denn ähnlich wie sich aus atomar dünnen Kohlenstofflagen das Wundermaterial Graphen herstellen lässt, so lässt sich auch Zinn in ultradünne Lagen bringen. Diese Form von Zinn heißt Stanen und bringt ebenso wie Graphen eine Reihe erstaunlicher Eigenschaften mit sich: Es ist sehr robust und liegt in hexagonaler Honigwabenstruktur vor. Die Atome im Stanen liegen allerdings nicht völlig eben wie bei Graphen, sondern sind leicht nach oben und unten verschoben.





Stanen soll interessante Eigenschaften haben

Die Forschung mit Stanen ist noch nicht so weit fortgeschritten wie die mit Graphen, allerdings haben Theoretiker eine Reihe interessanter Eigenschaften vorhergesagt, die derzeit experimentell gesucht werden. Hierzu gehört vor allem, dass Stanen ein topologischer Isolator sein soll, und dass man den sogenannten Quanten-Hall-Effekt an Stanen finden sollte.

Laut einigen theoretischen Berechnungen könnte Stanen sogar bei Raumtemperatur ein topologischer Isolator sein. Experimentell ließ sich dies bislang jedoch noch nicht bestätigen. Der Quanten-Hall-Effekt wiederum ist nicht nur für die Festkörperphysik bedeutend. Solche Materialien könnten auch praktisch reibungsfreie Leitungskanäle bereitstellen, was das Abwärmeproblem in elektronischen Bauteilen deutlich verringert.

Dreilagiges Stanen ist supraleitfähig

Auf der Suche nach diesen exotischen Eigenschaften entdeckte ein internationales Forscherteam nun eine weitere Eigenschaft von Stanen. Das Team um Qi-Kun Xue vom State Key Laboratory of Low-Dimensional Quantum Physics der Pekinger Tsinghua University fand heraus, dass dreilagiges Stanen supraleitfähig ist. Einlagiges Stanen verhielt sich hier unauffällig. Wenn Stanen in wenigen atomaren Lagen vorliegt, bilden sich jedoch neue elektronische Bänder aus, die bei tiefen Temperaturen Supraleitung ermöglichen.

Normales Zinn liegt je nach Kristallstruktur in unterschiedlichen möglichen Konfigurationen vor, bei Raumtemperatur etwa als α-Zinn ("graues Zinn") mit kubischem Diamantgitter oder als β-Zinn ("weißes Zinn") mit oktaedrischem Kristallgitter. Zinn ist als Volumenmaterial bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt supraleitend, aber nur in der weißen β-Phase. Das graue α-Zinn zeigt keine Supraleitung. Da Stanen strukturell der α-Phase entspricht, würde man eigentlich keine Supraleitfähigkeit erwarten.