Selbstherrlicher Auftritt


Artikel verfasst von

Maike

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Nicht, dass die EU bei all ihrem Machtgehabe im Innern geeint wäre: EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel

 

 

Hier Sanktionen, dort Strafmaßnahmen, dann ein paar mahnende Worte mit drohend gerunzelter Stirn und abschließend ein belehrender Zeigefinger: Die EU ist gestern in ihren Gipfel so gestartet, wie sie sich stets aufführt – als selbstgefühlte politisch-moralische Weltmacht. Da demonstrieren in Belarus Menschenmengen wegen einer vermutlich gefälschten Präsidentenwahl? Die EU erkennt die Wahl nicht an, bereitet Visa- und Kontensperren vor. Die Türkei erhebt Territorialansprüche im östlichen Mittelmeer? Die Union diskutiert über Sanktionen. In die Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan könnte Russland hineingezogen werden, weil Armenien seinem Militärbündnis, der OVKS, angehört? Hände weg, droht Brüssel. Und dann noch das Investitionsabkommen mit China: Im Gestus des – vermeintlich – zivilisierenden Kolonialherrn weisen die europäischen Staaten die Volksrepublik in Sachen Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik zurecht.





Nicht, dass die EU bei all ihrem Machtgehabe im Innern geeint wäre. Strafmaßnahmen gegen Belarus liegen vor allem im Interesse der deutschen Eliten, die ihr traditionelles osteuropäisches Expansionsgebiet soweit wie möglich ihrer Herrschaft unterwerfen wollen. Sanktionen gegen die Türkei wiederum lägen im Interesse Griechenlands und Zyperns, nicht jedoch Deutschlands. Die Bundesrepublik betrachtet die Türkei seit je als strategische Brücke nach Nah- und Mittelost. Wer sich auf dem EU-Gipfel durchsetzen wird? Es wird wohl der Stärkere sein, sollte man meinen. Zypern ist das nicht. Und dann ist da ja noch das Hauen und Stechen um innere Angelegenheiten, um die Rechtsstaatlichkeit, um den Haushalt, die Krisenunterstützung: Eigentlich hätte die EU anderes zu tun, als belehrend mit Sanktionen um sich zu werfen, sollte man meinen.

Der selbstherrliche Auftritt, den die EU sich leistet – man kann in ihm das altbekannte Streben ihrer Zentralmacht nach Weltgeltung spüren. Dabei ist die Bilanz des Staatenkartells, das dieses Mal Belarus, die Türkei und einmal mehr Russland zur Ordnung ruft, desaströs. Was hat die EU nicht alles lösen wollen in den vergangenen Jahren: den Ukraine-Konflikt, den Libyen-Krieg, den Syrienkrieg, den gewalttätigen Zerfall der Sahelstaaten, die Zersplitterung Somalias, jüngst auch noch die Auseinandersetzungen im Libanon. Was hat sie erreicht? Praktisch nichts. Ob dies daran liegt, dass die EU in sich zerstritten ist, daran, dass sie ihre Kräfte überdehnt, oder beides – das wäre zu diskutieren. Was nun aber Belarus, den Konflikt im östlichen Mittelmeer oder auch die Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan konkret angeht: Nichts spricht dafür, dass die EU mit der Einmischung, die sie sich erneut anmaßt, auch nur irgend etwas bessern könnte. Selbst wenn man sich Illusionen über die tatsächlichen Triebkräfte ihrer Einmischung macht: Ihre desaströse Bilanz sollte zu sofortiger Einstellung der belehrenden Sanktionen gegen Dritte zwingen.