Fehde unter Nachbarn: Patt im Nil-Streit


Artikel verfasst von

Maike

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Äthiopien will seinen Mega-Staudamm am Nil fluten - zum Leidwesen von Sudan und Ägypten. Die Verhandlungen, wie viel Wasser er weiter durchleitet, sind festgefahren. Der Streit gefährdet die Sicherheit in der Region.


 

Der Bau des gigantischen Wasserkraftwerks in Äthiopien geht voran - im Jahr 2022 soll der Damm fertig sein. Aber die Gespräche um die Nutzung des kostbaren Nilwassers stecken seit Jahren in der Sackgasse. Kurz nach dem Ende der jüngsten Verhandlungsrunde im Dauerkonflikt um den Großen Äthiopischen Renaissance-Damm (GERD) überziehen sich die Hauptkontrahenten Ägypten und Äthiopien erneut mit Schuldzuweisungen. Experten stufen die festgefahrene Lage inzwischen als Sicherheitsrisiko für die Region ein.

 

Sicherheit in Gefahr

Für Dawid Wolde Giorgis vom Internationalen Institut für Sicherheit in Addis Abeba ist der Stillstand der Verhandlungen zwischen Ägypten und Äthiopien kritisch: "Die aktuelle Situation sollte nicht nur den beiden Ländern überlassen werden. Das wird Auswirkungen auf die Sicherheitslage in der Region und in Afrika haben", sagt Giorgis im DW-Interview. Wenn die Konfrontation anhalte, könne es zu Krieg in der Region kommen, fürchtet Giorgis. "Der einzig gangbare Weg für beide Länder ist, eine Krisensitzung aller Nil-Staaten einzuberufen und gleichzeitig den Dialog mit den Staatschefs der afrikanischen Länder zu führen."





Äthiopien Addis Abeba | Report | Grand Ethiopian Renaissance Dam (DW/N. Desalegen)

Auf diesem Foto lässt sich erahnen, was mit dem Fluss geschieht, sobald der Damm fertig ist

Worum es bei dem Konflikt geht: Ägypten fürchtet um seine Wasserversorgung - das Land am Nil ist mit seinen fast 100 Millionen Einwohnern fast vollständig von dieser Lebensquelle abhängig. Die GERD-Talsperre liegt flussaufwärts am Blauen Nil und würde die Wassermenge, die nach Ägypten weiterfließt, deutlich verringern. Je nachdem, wie schnell Äthiopien das Becken füllt, rechnet Ägypten mit 14 bis 22 Prozent weniger Wasser, im Extremfall würden 30 Prozent des Agrarlandes veröden.

 

Ägypten ruft den UN-Sicherheitsrat um Hilfe

Ägypten hat unterdessen den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingeschaltet. Das höchste UN-Gremium müsse einschreiten, um in der Auseinandersetzung mit Äthiopien und dem Sudan eine "faire und ausgewogene Lösung" zu erreichen, teilte das ägyptische Außenministerium mit. Äthiopien nehme in den Gesprächen eine "negative Haltung" ein und habe nicht genügend "politischen Willen", hieß es.

Äthiopien lässt sich aber bisher nicht auf die künftig stromabwärts fließenden Wassermengen und zeitlichen Fristen festlegen. Stattdessen werden Tatsachen geschaffen: Im Juli beginnt die Regensaison, ein idealer Zeitpunkt, um das für gigantische 74 Milliarden Kubikmeter Wasser ausgelegte Becken zu füllen. Die flussabwärts liegenden Anrainer Ägypten und Sudan sehen die bevorstehende Regenzeit mit großer Sorge - schon bald will der Bauherr die ersten Stromturbinen der Talsperre testen.

 

 

Ringen um den Wasserstand

Äthiopien hofft, 4,9 Milliarden Kubikmeter Wasser während der Monate Juli und August aufzufangen. Das Volumen in dieser ersten Füllphase des massiven Beckens würde ausreichen, um Mitte 2021 die ersten beiden Turbinen zu starten. Bis der Stausee vollgelaufen ist, dürften weitere sieben Jahre vergehen, so dass die Talsperre voraussichtlich mit allen 16 Turbinen 2029 - mit fünf Jahren Verspätung - in Betrieb genommen werden kann. Dann soll das größte Wasserkraftwerk des Kontinents die ostafrikanischen Länder mit Strom versorgen.

 

Äthiopien Addis Abeba | Report | Grand Ethiopian Renaissance Dam (DW/N. Desalegen)





Die Turbinen des Megaprojekts sollen Strom für weite Teile Ostafrikas produzieren

Schon seit einem Jahrzehnt ringen die drei Anrainer des Blauen Nils um die Frage, wie das Wasser gerecht aufgeteilt werden kann. In Ägypten wächst seither die Sorge, Felder im Niltal könnten veröden und Trinkwasserbrunnen austrocknen. Sudan teilt solche Sorgen, sieht aber auch Vorteile: Billiger Strom für die Entwicklungsprojekte des Landes und weniger Überflutungen kämen dem armen Land zugute.

 

Streitpunkt: Umgang mit Dürre

Wichtigster Streitpunkt bleibt: Wie können künftigen Dürreperioden vermindert werden - wer ist in der Pflicht? "Das Management von Dürren ist eine gemeinsame Verantwortung", sagt Gedion Asfaw der DW. Er ist Leiter der äthiopischen Delegation in der "Tripartite Commission" und Chefunterhändler Äthiopiens im Nil-Streit. Asfaw verweist darauf, dass beschlossen sei, dass mit dem Bau und somit auch mit der Stauung begonnen werden könne, während die Verhandlungen noch liefen. "Die Parteien werden die Gespräche wieder aufnehmen. Das Befüllen des Beckens ist nicht abhängig vom Stand der Verhandlungen", schreibt Asfaw an DW.

 

Meeting wegen des Großen Renaissance Staudamm Addis Abeba (DW/Y. G. Egziabher)

Das Medieninteresse an GERD, hier eine Pressekonferenz im März in Addis Abeba, ist enorm

Der Sudan - ein fragiles Land, das nach Bürgerkriegen und einer Revolution vor einem Jahr gerade erst zu Stabilität finden muss - hat vorgeschlagen, die Verhandlungen mit Ägypten und Äthiopien über einen Mega-Staudamm am Nil auf Premierminister-Ebene hochzustufen. Ein solches Treffen ist bislang aber nicht geplant. Die offenen Fragen "sind rechtlicher Natur, insbesondere im Hinblick auf einen Mechanismus zur gemeinsamen Wassernutzung", sagte der sudanesische Minister für Wasserressourcen, Yasser Abbas, in dieser Woche in einer Pressekonferenz.

Sein ägyptischer Amtskollege, Mohamed Abdel Aty, schiebt das Scheitern der jüngsten Gespräche auf Äthiopien: Man habe "aufgrund der hartnäckigen Haltung Äthiopiens in technischen und rechtlichen Fragen keine nennenswerten Fortschritte erzielt".

 

Offene Fragen klären

Angesichts der festgefahrenen Lage warnte auch die in Brüssel ansässige International Crisis Group (ICG): Wenn in den kommenden Wochen keine Einigung erzielt werde, stiegen die Spannungen zwischen den drei Ländern. "Ob es vor Beginn der Stauung oder danach passiert: Die Parteien müssen zurück an den Verhandlungstisch und offene Fragen klären", sagt William Davison, Äthiopien-Experte bei der ICG.

BG Grand Renaissance Dam | Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed Ali mit dem ägyptischen Präsident Abdel-Fattah al-Sisi (2018) (Imago Images/Xinhua)

Haben Gesprächsbedarf: Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed und Ägyptens Präsident Abdel-Fattah al-Sisi (2018)





Bei den jüngsten Gesprächen lag der Fokus auf den rechtlichen Aspekten und dem Status eines Abkommens. "Ägypten und Sudan wollen absichern, das eventuelle Streitigkeiten in dem geplanten Abkommen in internationalen Gerichtsverfahren entschieden werden - Äthiopien lehnt das ab", sagt Davison.

 

Kompromisse dringend gesucht

Ein weiterer Streitpunkt: Ägypten will für die Zukunft so viele Details wie möglich in dem Abkommen festlegen. "Äthiopien dagegen versucht, das Abkommen so dynamisch wie möglich halten und nichts zu unterschreiben, was das Land an den Ablass von Mindestmengen bindet. Angesichts des Klimawandels, der diese Berechnungen negativ beeinflussen könnte, will Äthiopien am Ende nicht noch Wasser schulden", sagt Davison.

Der Krisenforscher betont: "Sie müssen Kompromisse zulassen." Aber es fehle an Vertrauen zwischen den drei Parteien und sie beharrten auf eigenen Interessen. "Es ist noch nicht der Punkt in diesem Prozess erreicht, an dem sie über sich hinauswachsen, um eine gemeinsame Lösung zu finden."

 

 

Der Streit besorgt zunehmend auch Akteure außerhalb Afrikas: Die EU bot sich kürzlich als Vermittler an. Und die USA mahnten an, für die Menschen in Ostafrika sei es dringend geboten, dass Äthiopien sich fair zeigt. Es müsse zuerst einen Deal geben, bevor mit dem Stauen des Nilwassers begonnen wird.