Er traute sich nicht freizunehmen – Kurier stirbt an Diabetes


Artikel verfasst von

Maike

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Sein Tod wurde zum Politikum: Anfang Januar starb der 53-jährige Paketzusteller Don Lane in einem Krankenhaus in Südengland. Er litt an Diabetes und hatte zuvor einen Zusammenbruch erlitten – nachdem er tagelang durchgearbeitet hatte, obwohl es ihm gesundheitlich schlecht ging. Seine Frau wendet sich nun mit dem Todesfall an die Öffentlichkeit, denn sie ist der festen Überzeugung: Ihr Mann musste nicht wegen eigenen fahrlässigen Verhaltens sterben, sondern wegen des unablässigen Drucks und der unmenschlichen Arbeitsbedingungen seines Arbeitgebers.

Lane arbeitete 19 Jahre lang als Kurier für den Paketdienst DPD. Fest angestellt war er dort allerdings nicht. Er wurde wie die anderen Kuriere pro Paket, das er ausstellte, bezahlt - er war selbstständig ohne Ansprüche auf Bezahlung im Urlaubs- oder Krankheitsfall.

Doch nicht nur wurde Lane nicht bezahlt, wenn er sich zu schlecht fühlte, um zu arbeiten: Der Paketdienst habe ihm auch immer wieder Strafen von 150 Pfund (rund 170 Euro) angedroht, sollte er keine Ersatz für seinen Touren finden, wie seine Frau Ruth Lane nun dem englischen „Guardian“ berichtet. Der Druck, die Pakete in einem bestimmten Zeitraum auszuliefern, sei riesig gewesen, sagt die Witwe. Deshalb habe ihr Mann des Öfteren wichtige Arzttermine in letzter Minute absagen müssen, wenn er mit den Zustellungen nicht fertig geworden sei. „Er zog das Unternehmen der eigenen Gesundheit vor“, sagte sie.

„Ich glaube, ich werde bald sterben“

Im vergangenen Jahr war Lane bereits dreimal während der Arbeit kollabiert. Die angedrohte Strafe von 150 Pfund musste er im Juli 2017 zahlen, als er einen Arzttermin wahrnahm. Dabei habe er diesen seinem Chef bereits Monate vorher angekündigt, sagt Ruth Lane nun. Das Unternehmen habe also genug Zeit gehabt, sich um Ersatz zu bemühen. Welchen Druck ihr Mann durch seinen Arbeitgeber erfährt, habe sie aber auch schon vorher mitbekommen, so die Witwe. Im März 2017 habe ihr Mann ihr gesagt: „Ich glaube, ich werde bald sterben.“

Seinen letzten Zusammenbruch erlitt Lane Ende Dezember 2017, als er trotz seines schlechten gesundheitlichen Zustands die gesamte Weihnachtszeit durchgearbeitet hatte. Er habe Blut gespuckt und immer wieder gesagt, dass er nicht arbeiten wolle, aber müsse, sagte seine Frau. Von dem Zusammenbruch erholte er sich nicht: Er starb ab 4. Januar in einem Krankenhaus in Bournemouth in Südengland. Neben seiner Frau Ruth hinterlässt Lane den gemeinsamen erwachsenen Sohn des Paars.

 




Nun beschäftigt der Todesfall auch die Politik in Großbritannien. Die britischen Gewerkschaften wandten sich direkt an Theresa May und forderten von ihr eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Freelancern wie Don Lane. Der Labour-Politiker Frank Field, der dem Arbeits- und Rentenausschuss des britischen Unterhauses vorsteht, nannte den Tod Lanes „erschreckend“ und forderte eine neue Gesetzgebung, um Menschen wie Lane zu schützen, „die schlimm ausgebeutet werden“.

DPD wehrt sich gegen die Kritik

 

DPD selbst weist die Vorwürfe der Witwe zurück. Lane seien keine Geldstrafen angedroht worden. Er habe eine kleine Route mit relativ wenigen Zustellungen gehabt, die mit seinen Krankenhausterminen zusammengepasst habe. Von den Zusammenbrüchen habe man keine Kenntnis gehabt. In den Tagen um Weihnachten seien Überstunden normal – Lane habe aber seine gängige Route gefahren. Der Familie sprach das Unternehmen sein Beileid aus.

Die Witwe des Paketzustellers widerspricht dieser Darstellung entschieden: Das Unternehmen habe von den Zusammenbrüchen gewusst und trotzdem Druck ausgeübt. In einem E-Mail-Austausch, der dem „Guardian“ vorliegt, beschwert sich Lane über die ihm angedrohte Strafe für den Tag, an dem er wegen des Arzttermins ausfiel – woraufhin ihm ein DPD-Manager antwortet, er sehe keinen Grund, diese zurückzurufen.

Der Artikel des „Guardian“ schlägt derweil immer größere Wellen im Netz: Auf Twitter tauschen sich zahlreiche Nutzer über die Geschichte aus. Einige berichten von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Paketdienst, ein User schreibt in Bezug auf die angedrohten Strafen: „Ich habe für DPD gearbeitet, das war die übliche Praxis. Einmal musste ich eine Strafe von 250 Pfund zahlen, weil ich krank war.“ Ein anderer Leser startete eine Petition auf der Plattform change.org, die von DPD fordert, die Strafzahlungen für kranke Mitarbeiter einzustellen.

In Deutschland sind Zusteller fest angestellt - bei Subunternehmen

In England arbeiten rund 5000 Zusteller für DPD. In Deutschland sind es doppelt so viele. Die Zusteller sind allerdings nicht direkt bei DPD angestellt, sondern über eines von 1000 selbstständigen Transportunternehmen, mit denen DPD zusammenarbeitet. Das Unternehmen rühmt sich auf seiner Website damit, 350 Millionen Pakete im Jahr zuzustellen und die Nummer zwei des Paketmarktes zu sein.

Auf Anfrage der WELT sagt ein Sprecher von DPD Deutschland, das Unternehmen lege „Wert auf die Feststellung, dass die Paketzustellung bei DPD Deutschland nicht in gleicher Weise organisiert ist wie bei DPD UK.“ So wie Lane als selbstständiger Unternehmer für DPD tätig zu sein, sei in Deutschland nicht möglich: Die Zusteller seien hierzulande bei den Transportunternehmen fest angestellt, mit denen DPD zusammenarbeitet.

In Deutschland würden Krankschreibungen oder Abwesenheit wegen ärztlicher Untersuchungen „in keiner Weise“ mit Strafzahlungen belegt.