Ein zweischneidiges Schwert


Artikel verfasst von

Maike

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US-Präsident Donald Trump versucht, die nationale Wirtschaft mittels Strafzöllen zu schützen, und hat dabei vor allem China im Blick. Die Ergebnisse sind widersprüchlich. Eine vorläufige Bilanz des Handelskrieges


 

Handelskriege sind gut und leicht zu gewinnen«: Der Tweet, den US-Präsident Donald Trump, großmäulig wie eh und je, am 2. März 2018 absetzte, ist inzwischen schon fast legendär. Trump hatte damals die ersten Strafzölle bereits verhängt und war im Begriff, die nächste Runde anzutreten und seine Maßnahmen systematisch zum ausgewachsenen Handelskrieg auszuweiten. Da schien es angesagt, einen Spruch zu klopfen, der kämpferische Zuversicht demonstrierte, um – wie man es im Krieg halt macht – den Feind einzuschüchtern und die eigenen Reihen zu schließen. Schließlich hatte sich der Immobilienoligarch im Weißen Haus keine Kleinigkeit vorgenommen: Er attackierte nicht nur ein einzelnes Land oder eine einzelne Branche, sondern, wenngleich in unterschiedlichem Maß, alle großen Mächte. Seine Strafzollorgie traf umfassend China, richtete sich aber auch gegen die EU, gegen Russland und Indien, gegen die Nachbarn Mexiko und Kanada, enge Verbündete wie Japan und NATO-Partner wie die Türkei. Und: Es war klar, dass die betroffenen Staaten nicht stillhalten, sondern ihrerseits Gegenmaßnahmen ergreifen würden, mit womöglich schmerzhaften Auswirkungen auf Industrie und Handel auch in den USA.

 

Historische Vorbilder

Wenngleich Trump den Handelskrieg exzessiv ausgedehnt hat, ist er ist nicht der erste US-Präsident, der im großen Stil mit Strafzöllen operiert. Es findet sich in früheren US-Handelskriegen so manches, was unter der aktuellen Administration nun, wenn auch unter veränderten Gesamtumständen, wiederkehrt. Einer, der von diesem Mittel regen Gebrauch machte, war Trumps Vorbild Ronald Reagan. Als Reagan, der übrigens 1981 ebenfalls mit dem Slogan »Make America Great Again« für sich warb, sein Amt antrat, war die US-Handelsbilanz insgesamt zwar noch einigermaßen ausgeglichen, aber gegenüber Japan verzeichnete die Industrie ein erhebliches Defizit. Um es zu senken, zwang Washington Tokio eine »freiwillige« Beschränkung der Lieferung japanischer Pkw auf, die damals gerade dabei waren, den US-Markt zu erobern. Die Folge: ­Toyota, Nissan und Honda konnten weniger Autos in den USA verkaufen als zuvor, dafür erzielten sie allerdings, weil ihre Karossen beliebt, nun aber rarer waren, höhere Preise und Gewinne. Sie begannen zudem, eigene Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten zu errichten, um die Lieferbeschränkung zu umgehen, und sicherten sich binnen weniger Jahre erst recht eine starke Stellung auf dem US-Markt, zu Lasten der einheimischen Traditionskonzerne.

Reagan versuchte es später unter anderem noch mit Strafzöllen in Höhe von 100 Prozent etwa auf japanische Computer, um US-amerikanische IT-Hersteller zu schützen, woraufhin Tokio den Export japanischer Speicherchips einschränkte. Dies brachte US-Computerproduzenten Nachteile, weil sie auf die knapp, also teurer werdenden Chips angewiesen waren, bot aber umgekehrt japanischen IT-Firmen Chancen, weil sie ihre Sonderprofite aus dem Chipverkauf in die Forschung stecken konnten. Am Ende von Reagans Präsidentschaft hatten japanische Kfz- und IT-Konzerne deutliche Vorteile erlangt, während die US-Branchen Verluste zu verkraften hatten und Washingtons Handelsbilanz in ein Minus von immerhin 150 Milliarden US-Dollar gerutscht war. Glorreiche Siege sehen anders aus.

Auch ein anderer US-Präsident trat als Handelskrieger auf. George W. Bush verhängte im März 2002 Strafzölle in Höhe von acht bis 30 Prozent auf Stahl. Davon betroffen waren damals in starkem Maße EU-Mitgliedsstaaten, und prompt reagierte Brüssel mit Gegenzöllen, die unter anderem auf den Import von Orangensaft erhoben wurden: Der kam aus Florida, wo Jeb Bush, der Bruder des Präsidenten, im Gouverneurssessel saß. Die Schlacht dauerte letztlich bis Dezember 2003, als Washington die Zölle nach einem negativen Urteil der WTO wieder aufhob. Allerdings hätte es das früher oder später wohl auch aus eigenem Antrieb getan. Eine detaillierte Studie bestätigte im Rückblick, dass die Strafzölle denjenigen US-Unternehmen, die auf Stahl angewiesen waren, zum Teil erheblich geschadet und eine Reihe von Firmen ins Ausland getrieben hatten. Die Jobverluste wurden auf 200.000 Arbeitsplätze geschätzt.

Strafzölle auf Stahlimporte hat später übrigens auch Barack Obama verhängt. Das richtete sich – in enger Absprache mit der EU, die ebenfalls ihre Tarife anhob – gegen chinesischen Stahl und führte tatsächlich dazu, dass die Volksrepublik 2017, gegen Ende der Amtszeit von Obama aus den Top ten der US-Stahllieferanten verschwunden war. Trumps Vorgänger hob zudem die Zölle auf einige Stahlsorten aus der EU an, woraufhin etwa die Dillinger Hütte ihre Lieferungen einstellen musste. Gegen die Konkurrenz aus China und Europa hat der Demokrat im Weißen Haus zumindest Teilerfolge erzielt.

 

Erfahrenes Personal

Ob Trump aus den Erfahrungen seiner Amtsvorgänger gelernt hat? Wer weiß? Immerhin hat er sich für seine Handelskriege halbwegs erfahrenes Personal zusammengesucht. Robert Lighthizer, sein Handelsbeauftragter, lernte von 1983 bis 1985, in der Zeit der Reaganschen Maßnahmen gegen Japan, als stellvertretender Handelsbeauftragter sein Handwerk; er gilt seitdem als knallharter Unterhändler. Wirtschaftsmedien verbreiteten anlässlich seiner Ernennung, Lighthizer habe einst seine Ansicht über einen japanischen Verhandlungsvorschlag dadurch mitgeteilt, dass er das Papier zu einem Flieger gefaltet und diesen dann über den Verhandlungstisch geworfen habe. Dass er sich damit freilich in ostasiatischen Augen nicht als geschickter Psychokrieger, sondern eher als dumpfer Barbar erwiesen hat, ist ihm möglicherweise verborgen geblieben. ­Wilbur Ross wiederum, Trumps Handelsminister, weiß zumindest, wie man aus Strafzöllen Profite schlägt. Keine vier Wochen bevor George W. Bush Abgaben auf Stahleinfuhren verhängte, hatte er ein bankrottes Stahlwerk erworben und fusionierte es unter dem Schutz der Zölle mit anderen zu einem größeren Konzern, den er dann für einen satten Milliardenbetrag losschlagen konnte. Aus seinen guten Kontakten zur Bush-Administration hat Ross nie ein Geheimnis gemacht. Da soll noch mal einer sagen, Strafzölle lohnen sich nicht.

Eine erste Salve im Handelskrieg feuerte Trump vor etwas mehr als einem Jahr ab. Am 22. Januar 2018 gab der Handelsbeauftragte Lighthizer bekannt, der Präsident habe soeben Strafzölle auf die Einfuhr von Waschmaschinen und Solarzellen verhängt. Das sei nötig, weil US-Hersteller stark unter Importprodukten litten. Bei den Waschmaschinen traf es vor allem südkoreanische Firmen – Samsung und LG –, während bei den Solarzellen überwiegend chinesische Produzenten betroffen waren. Seoul und Beijing revanchierten sich mit einer Klage bei der WTO. Ende 2018 blieb zu konstatieren: Waschmaschinen waren in den USA im Durchschnitt rund ein Achtel teurer geworden, Samsung hatte eine Waschmaschinenfabrik vor Ort eröffnet und lieferte nun zollfrei aus dem Inland. Die wenigen verbliebenen US-Solarzellenhersteller waren zufrieden, dass der Präsident ihnen die Konkurrenz vom Hals geschafft hatte, was allerdings kaum Anlass zum Jubel bot: Solaranlagenbauer, die mit billigen Zellen aus China kalkuliert hatten, sahen sich in vielen Fällen nicht in der Lage, mit den teureren US-Zellen zu wirtschaften, und stellten eine erkleckliche Anzahl an Solarprojekten ein, die üblichen Jobverluste natürlich inklusive.

 

Die zweite Welle im Handelskrieg trat der US-Präsident am 8. März 2018 los, als er Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf die Einfuhr von Stahl und in Höhe von zehn Prozent auf Aluminiumimporte ankündigte. Das Ziel: Die US-Industrie sollte vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden. Am 23. März traten die Maßnahmen in Kraft. Es gab aber – zu Disziplinierungszwecken – gewisse Ausnahmen. So wurden Mexiko und Kanada vorläufig von den Zöllen freigestellt. Im Gegenzug sollten sie in den komplizierten Verhandlungen über eine Nachfolgevereinbarung zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) einknicken. Das taten sie nicht, und so traten die Strafzölle gegen sie zum 1. Juni in Kraft, genau wie diejenigen gegen die EU. Ausnahmen wurden nur Argentinien, Brasilien und Südkorea gewährt, die sich »freiwillig« Lieferbeschränkungen auferlegten. Ganz ohne Strafmaßnahmen kam lediglich Australien davon. Kanada und Mexiko stößt es bis heute übel auf, dass sie sich zwar zum 1. Oktober auf eine Nachfolgevereinbarung zu NAFTA einließen, die für sie nicht besonders günstig ist – der Vertrag heißt nun United States-Mexico-Canada Agreement (USMCA) –, Trump sich nach Abschluss der Verhandlungen aber nicht bereit erklärte, die Zölle aufzuheben. In Ottawa heißt es nun, bleibe die US-Administration dabei, dann werde man das USMCA nicht ratifizieren.

Die Strafzölle auf Stahl und Aluminium hatten unterschiedlichste Folgen. Eine wenig überraschende besteht darin, dass die Profite der US-Stahlindustrie boomen: Nucor etwa steigerte seinen Gewinn um 79 Prozent auf eine Milliarde US-Dollar, U. S. Steel um 188 Prozent auf 728 Millionen US-Dollar. Das lag hauptsächlich daran, dass diverse ausländische Konkurrenten vom Markt gefegt wurden und einheimische Produzenten, obwohl sie ihren Absatz nur um fünf Prozent steigern konnten, dies nutzten, um hemmungslos die Preise anzuheben. Arbeitsplätze entstanden nicht: Laut offiziellen Angaben beschäftigten die US-Eisen- und Stahlschmelzen im Februar 2018 – vor der Verhängung der Maßnahmen – 83.500 Personen, im November 2018 waren es 83.400. Hinzu kam, dass die US-Branche womöglich abhängig von den Strafzöllen geworden ist. Branchenkenner urteilen, eine Erhöhung der Produktivität sei seit Beginn des Handelskrieges nicht zu erkennen; würden diese Zölle irgendwann einmal aufgehoben, dann hätten es die US-Stahlkonzerne wohl noch deutlich schwerer als zuvor, gegen die ausländische Konkurrenz zu bestehen. Genau deshalb hatten nicht zuletzt neoliberale Ökonomen schon vorab vor den Handelsbarrieren gewarnt.





Bei alledem waren die US-Konzerne in vielen Fällen gar nicht in der Lage, spezielle Stahlsorten herzustellen, weshalb die Trump-Administration einer ganzen Reihe stahlverarbeitender Firmen die zollfreie Lieferung der benötigten Ware genehmigte. Auf diese Weise wurden zwar – Stand: Anfang Februar 2019 – nur zwei Prozent der Stahleinfuhren aus Kanada, aber 40 Prozent derjenigen aus China strafzollfrei weitergeführt; dasselbe gilt für 86 Prozent der Aluminiumimporte aus der Volksrepublik. Diejenigen, die stark unter den Strafzöllen litten, waren US-Unternehmen, die Stahl und Aluminium verarbeiten. Ford beispielsweise musste 2018 für Stahl und Aluminium rund 1,1 Milliarden US-Dollar mehr ausgeben als zuvor; Whirlpool, dessen Waschmaschinen von der ersten Strafzollrunde profitieren sollen, rechnete mit Mehrausgaben durch zollbedingt gestiegene Preise in Höhe von 300 Millionen US-Dollar. Prompt gab General Motors im Herbst bekannt, einige US-Standorte zugunsten der Produktion im Ausland zu schließen.

 

Gegenzölle

Und dann war da noch die Sache mit den Reaktionen. Absehbar haben fast alle Staaten, genauer: fast alle größeren, die von den Strafzöllen getroffen wurden, sich ihrerseits mit eigenen Zöllen revanchiert. Beliebtestes Ziel waren Produkte aus US-Bundesstaaten, die für Trumps Wiederwahl wichtig scheinen – Orangensaft aus Florida, Whiskey aus Kentucky und aus Tennessee, Harley-Davidson-Motorräder aus Missouri. Die Hersteller und damit perspektivisch auch die Arbeiter spürten das ab dem zweiten Halbjahr 2018. Harley Davidson verlor 120 Millionen US-Dollar – es war ja nicht nur gegenzollbedingt die Ausfuhr der Motorräder, sondern strafzollbedingt auch der zur Herstellung nötige Stahl teurer geworden – und verlegte Teile seiner Produktion nach Thailand, um von dort aus ohne die Last der Handelskriegszölle etwa die EU beliefern zu können; Trump war stinksauer. Der Export von Whiskey stieg vor der Verhängung der Gegenzölle kurzzeitig stark an, im zweiten Halbjahr 2018 brach jedoch die Ausfuhr in die EU, den bedeutendsten Auslandsmarkt der US-Brennereien, um 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein. Branchenvertreter kündigten an, ihrem Präsidenten demnächst Dampf zu machen: Seine Strafzölle, beschwerten sie sich, schadeten vor allem der US-Wirtschaft und US-amerikanischen Arbeitern.

Selbstverständlich wirken sich die Strafzölle auch außerhalb der Vereinigten Staaten aus. Die deutsche Wirtschaftsvereinigung Stahl etwa vermeldete schon Ende Juli 2018 einen Rückgang um rund sieben Prozent im Handel mit den USA. Die chinesischen Stahlexporte gingen insgesamt trotz der zahlreichen Ausnahmen für Lieferungen in die Vereinigten Staaten im vergangenen Jahr um rund neun Prozent gegenüber 2017 zurück. Das lag auch daran, dass Länder, die zuvor Stahl in die USA exportiert hatten, auf der Ware sitzenblieben und ihrerseits weniger importierten. Zudem verhängte die EU, die ohnehin bereits Strafzölle auf chinesischen Stahl erhob, neue Einfuhrbeschränkungen, um nicht von Lieferungen überschwemmt zu werden, die zuvor in den USA abgesetzt worden waren, für die jetzt aber neue Käufer gefunden werden mussten. Indiens Stahlausfuhr brach um dramatische 25 Prozent ein: Nicht nur die Exporte in die Vereinigten Staaten kollabierten, sondern auch diejenigen in die EU und sogar diejenigen nach Südostasien. Überall stockte der Handelsstrom, weil Washington ihn blockierte.

Von Trumps Strafzöllen sowie den EU-Beschränkungen wurde insbesondere die Türkei getroffen. In ihrem Fall hatte Trump seine Strafzölle am 10. August 2018 plötzlich verdoppelt: Er ärgerte sich über die Abwertung der Lira und wollte Ankara zudem eins auswischen, weil es den festgesetzten US-Pastor Andrew Brunson nicht ausreisen ließ. Die Türkei schlug mit saftigen Gegenzöllen auf US-Autos, Alkohol und Tabak zurück. Die türkische Stahlbranche, deren wichtigster Absatzmarkt im Jahr 2017 die Vereinigten Staaten gewesen waren, litt empfindlich, übrigens auch deshalb, weil die EU, in die türkische Stahlschmelzen zwischenzeitlich ihre Waren umgeleitet hatten, ihrerseits die Schotten dichtmachte. Eine Aufhebung der US-Strafzölle ist im Falle der Türkei womöglich noch schwieriger zu bewerkstelligen als bei anderen Staaten: Trump hat inzwischen Geschmack daran gefunden, Ankara damit zu drohen, er werde es wirtschaftlich in den Ruin treiben, sollte es Washington politisch – etwa in Syrien – nicht zu Willen sein. Dafür, ohne weiteres einfach nachzugeben, ist nun wiederum Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eher nicht bekannt.

 

Feindliche Autos

Auch die EU sieht sich aktuell wieder mit Strafzöllen auf den Import von Autos konfrontiert. Trump hatte solche schon recht früh ins Spiel gebracht. Für die deutsche Kfz-Branche wären die Folgen fatal. 2017, im Jahr vor dem Beginn des Handelskriegs, verkauften deutsche Konzerne fast eine halbe Million Fahrzeuge in die USA. Hinzu kamen umfangreiche Lieferungen von Autoteilen. Alles zusammengenommen beliefen sich die für Kfz-Strafzölle anfälligen Exporte in die Vereinigten Staaten auf einen Wert von 28,6 Milliarden Euro. Die Schäden, mit denen zu rechnen wäre, sollte die Trump-Administration ernst machen, könnten Schätzungen zufolge bis zu fünf Milliarden Euro erreichen. Im Juli 2018 hatten sich Trump und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf eine Art Waffenstillstand geeinigt: Trump hatte sich bequemt, die Kfz-Strafzölle zurückzustellen und mit Brüssel über allgemeine Erleichterungen im transatlantischen Handel zu sprechen. Juncker hatte dafür zugesagt, die EU werde mehr Flüssiggas und mehr Sojabohnen aus den USA importieren.

Ging es beim Flüssiggas vor allem darum, dass Polen und die baltischen Staaten ihre Versorgung von Russland unabhängig machen wollten und deshalb ohnehin begonnen hatten, US-LNG zu importieren, so ging es beim verstärkten Kauf von US-Soja um die Folgen des Trumpschen Handelskriegs gegen China. Der US-Präsident hatte am 22. März 2018 angekündigt, Strafzölle auf Einfuhren aus der Volksrepublik im Wert von zunächst 50 Milliarden US-Dollar zu erheben, um eine Reduzierung des chinesischen Handelsüberschusses zu erzwingen. Die ersten 25-Prozent-Zölle traten am 6. Juli in Kraft. Am 24. September erhob die Trump-Administration sodann Zölle in Höhe von zunächst zehn Prozent auf weitere Importe im Wert von insgesamt 200 Milliarden US-Dollar. Dabei wurde es schon etwas heikler: Galt die erste Welle vor allem Vorprodukten, die in den Vereinigten Staaten weiterverarbeitet wurden, so waren diesmal auch Konsumgüter direkt betroffen. Das droht den Konsumenten früher oder später auch auf die Stimmung zu schlagen. Nach einer vorläufigen Einigung auf weitere Verhandlungen mit Beijing am 1. Dezember 2018 setzte Trump die ursprünglich vorgesehene Erhöhung der Zehn-Prozent-Strafzölle auf 25 Prozent aus; sie schwebt aber bei den aktuellen Verhandlungen weiterhin im Raum, ganz wie übrigens auch eine mögliche Verhängung von Strafzöllen auf sämtliche Einfuhren aus China. Das wären dann Waren im stolzen Wert von mehr als 500 Milliarden US-Dollar.

Beijing hat schon im März 2018 umgehend Gegenzölle erhoben und sie auch schrittweise ausgeweitet. Allerdings kann es sich nicht im gleichen Umfang revanchieren: China importiert viel weniger aus den USA, als es dorthin ausführt. Sollte Trump seine Drohung wahr machen und Strafzölle auf sämtliche Einfuhren aus China erheben, dann blieben Beijing wohl nur noch asymmetrische Vergeltungsmaßnahmen, die sich etwa gegen US-Konzerne mit chinesischen Produktionsstandorten richten könnten. US-Manager sind längst alarmiert. Allerdings treffen die chinesischen Gegenzölle, die sich vor allem gegen die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte, insbesondere Soja richten, auch schon jetzt Trumps agrarische Wählerbasis empfindlich. Wegen starker Absatzeinbußen musste die Regierung den US-Farmern im vergangenen Sommer mit einem Hilfsprogramm im Wert von zwölf Milliarden US-Dollar unter die Arme greifen. Und obwohl beispielsweise bei den Sojabohnen zahlreiche EU-Staaten als Abnehmer eingesprungen sind – man muss hinzufügen: gezwungenermaßen, weil Brasilien, ihr bis dahin bevorzugter Lieferant, zu höheren Preisen nach China verkauft, seit US-Soja dort gegenzollbedingt zu teuer geworden ist –, verrotten große Mengen an nicht verkauften Bohnen in US-Lagerstätten. Berichte deuten darauf hin, dass die Mehrheit der Farmer Trump immer noch die Treue hält, weil ihr Wunsch, endlich mal auf China einzudreschen, überwiegt. Unklar ist allerdings, wie lange das noch so bleibt.

Weitet man den Blick von der Trump-Administration auf die herrschenden Kreise in Washington insgesamt, dann gerät eine Option in den Blick, die für Trump persönlich vielleicht nur schwer, für einen anderen Präsidenten aber wohl problemlos wählbar wäre: die Option, aus dem Handelskrieg auszusteigen und den Wirtschaftskrieg mit anderen Mitteln fortzuführen. Denn letzten Endes geht es wohl nur an zweiter Stelle um die Stärkung der US-Industrie, von der ohnehin fraglich ist, ob man sie auf dem Weg über Schutzzölle erreicht. Schon recht früh hat die US-Seite in den Verhandlungen mit Beijing über eine etwaige Beendigung des Handelskriegs klargestellt, dass es ihr im Kern nicht um das Handelsdefizit geht, sondern darum, »Made in China 2025« zu stoppen. Das ist das Zehn-Jahres-Programm, das China auf zentralen Feldern der modernsten Technologie – etwa Künstliche Intelligenz, Robotik, Biomedizin – in die Weltspitze hieven soll. Gelänge das, dann wäre der Aufstieg der Volksrepublik nicht mehr aufzuhalten.





Organisierter Boykott

»Made in China 2025« kann man allerdings auch mit anderen Mitteln torpedieren. Trump selbst hat längst begonnen, Maßnahmen zu ergreifen, die weit über einen üblichen Zollkrieg hinausgehen: Er hat Boykotte gegen chinesische IT-Konzerne verhängt, mit Huawei ein Flaggschiff der chinesischen Kommunikationstechnologie weitgehend aus dem Land gedrängt, und er ist dazu übergegangen, mit den üblichen Methoden – gänzlich unbelegte Spionagevorwürfe zum Beispiel – Huawei auch in verbündeten Ländern zu attackieren, bis hin zur willkürlichen Festnahme der Finanzchefin des Konzerns in Kanada. Dabei hat der Präsident die volle Rückendeckung des gesamten Washingtoner Establishments, also auch der Demokraten. Was, wenn nun – und darauf deuten erste Anzeichen hin – der strafzollbedingte Preisanstieg bei Konsumgütern nicht mehr wie bisher zum guten Teil von den Händlern auf eigene Kosten aufgefangen, sondern in vollem Umfang an die Verbraucher weitergegeben wird? Immerhin ging der Umsatz im Einzelhandel Ende 2018 um 1,2 Prozent zurück – so stark wie seit neun Jahren nicht mehr. Laut Einschätzung von Experten war daran nicht nur der »Shutdown«, sondern eben auch die wachsende Ungewissheit über die Entwicklung des Handelskriegs schuld, ein deutliches Zeichen, dass sich eine gewisse Unruhe breitmacht. Sollte die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wachsen und eine Mehrheit bei der Wahl 2020 gefährden, dann wäre nicht nur ein anderer Präsident, sondern womöglich auch Trump bereit, auf das Brimborium mit den Strafzöllen zu verzichten und sich auf den Kern der Sache zu konzentrieren: auf den mit allen Mitteln vom IT-Boykott bis zur Verfolgung von Konzernmanagern zu führenden Wirtschaftskrieg gegen China, genauer: gegen dessen High-Tech-Industrie. Allerdings wäre ein solcher Schritt für Trump mit dem Eingeständnis einer Niederlage verbunden. Das wiederum ist schwer vorstellbar.