EU-Einigung zu Migration ist „Produkt von Politikern mit Schlafmangel“


Artikel verfasst von

Maike

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Image Migration / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: https://pixabay.com/de/migration-fliehen-krieg-fl%C3%BCchtling-2698946/

Die Europäische Kommission hat am Donnerstag ein Notfalltreffen zum Thema Migration angesetzt, nachdem der italienische Innenminister und stellvertretende Ministerpräsident Matteo Salvini einen möglichen Rücktritt in den Raum gestellt hatte. Hintergrund ist der Streit über Migranten, die auf einem Schiff der italienischen Küstenwache festsitzen.

Salvini, Vorsitzender der rechtspopulistischen Lega-Partei, liefert sich einen Machtkampf mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Dabei geht es um die Frage, ob die 177 aus dem Mittelmeer geretteten Migranten das seit drei Tagen in einem sizilianischen Hafen vor Anker liegende Schiff „Diciotti“ verlassen dürfen. Salvini besteht darauf, dass sie nur dann italienischen Boden betreten dürfen, wenn andere EU-Länder bereit sind, sich die Verantwortung zu teilen.

Mattarella hingegen zieht es vor, alle Migranten aus humanitären Gründen von Bord gehen zu lassen. Der Staatschef griff zur Beendigung eines Streits nach einer anderen Rettungsaktion der „Diciotti“ vergangenen Monat schon ungewohnt ins Tagesgeschehen ein. Er ließ 67 Menschen von Bord des Schiffes an Land gehen.  Diesmal werde er dem Präsidenten solch ein Vorgehen nicht durchgehen lassen, erklärte Salvini. „Entweder ändern Sie das Land oder den Minister“, verkündete er am Mittwochabend in einer Videobotschaft. Bisher durften nur 29 unbegleitete Minderjährige an Land gehen.

Die Debatte in Italien, die für Spannungen zwischen der Lega-Partei und dem Koalitionspartner Fünf-Sterne-Bewegung sorgt, spiegelt einen politischen Streit über das Thema Migration innerhalb Europas wider. Der Konflikt offenbart eine massive Spaltung auf dem gesamten Kontinent.

Auf einem Gipfeltreffen im Juni erklärten die Regierungschefs mehrere EU-Länder nach einem Verhandlungsmarathon inklusive Nachtsitzung, dass sie sich auf eine Reihe von Migrationsmaßnahmen geeinigt hätten – einschließlich der Einrichtung von kontrollierten Aufnahmezentren, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Blocks. Doch der Erklärung mangelte es an Details, und die Politiker hatten bislang Mühe, ihren Worten konkrete Taten folgen zu lassen.





Alexander Winterstein, ein Sprecher der EU-Kommission, sagte, die EU-Führung wäre seit Sonntag „in intensivem Kontakt“ bezüglich des „Diciotti“-Falls. „Wir arbeiten an einer schnellen Lösung, sodass die Personen an Bord so bald wie möglich sicher an Land gehen können“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Oberste Priorität sollte sein, dass diese Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen.“

Weiterhin sagte Winterstein, die Kommission verstärkte ihre „aktive Arbeit daran, eine langfristige und dauerhafte EU-Lösung“ zur Migration zu finden und hätte für Freitag ein Treffen der sogenannten Sherpas – Chef-Unterhändler der EU-Regierungen – angesetzt. Wie die Kommission mitteilte, würden hierzu zwölf Mitgliedstaaten erwartet; eine definitive Liste gäbe es aber derzeit noch nicht. Ein EU-Diplomat, der nicht namentlich genannt werden will, zählte Frankreich, Österreich, Deutschland, Italien, Spanien, Portugal, Malta, Luxemburg, die Niederlande, Griechenland und Irland zu den geplanten Teilnehmern.

„Wir haben sowohl die Mitgliedstaaten kontaktiert, die solche Aktionen schon früher unterstützt haben, als auch die Staaten, die direkt betroffen sind. Selbstverständlich ist das Treffen aber auch offen für jedes EU-Land, das an europäischen Lösungen interessiert ist“, so Winterstein. Ein weiterer EU-Diplomat sagte, die Erklärung nach dem Gipfeltreffen im Juni wäre „das Produkt von Politikern mit Schlafmangel, die alles getan hätten, um diesen Raum verlassen zu können. Aber es gibt keinen Konsens darüber, was sie wirklich gemeint haben.“

Diese Sichtweise verdeutlichen auch Notizen aus einem Meeting von EU-Botschaftern am 11. Juli, die „Politico“ vorliegen. Demnach hatte zum Beispiel Schweden, unterstützt von Spanien, bezüglich der Auslegung des Gipfel-Textes eine komplett gegensätzliche Ansicht zu Ungarn. Ein Kommissionsbeamter sagte: „Wir können nicht darauf warten, dass sich die Mitgliedstaaten über die Bedeutung einig werden; für den Moment arbeiten wir mit unserer Interpretation.“