Die blaue Welle der Demokraten zerschellt an Trumps Mauer


Artikel verfasst von

Maike

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Bild: Mark J. Terrill / AP

 

Mit Sorgenfalten auf der Stirn sind Beobachter der amerikanischen Kongresswahlen zum vorläufigen Schluss gekommen, die Spaltung des Landes in Fortschrittliche und Konservative sei nun noch stärker ausgeprägt. Das ist nicht überraschend, schliesslich war der Wahlkampf von beiden Seiten auf die totale Konfrontation ausgerichtet worden. Dass es nun schwieriger wird, im Kongress noch etwas zustande zu bringen, nehmen sowohl die Politiker als auch die Wähler in Kauf, auch wenn sie das nach den Wahlen jeweils beklagen.

Zwei Sieger

In einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus und einer stärkeren republikanischen Kontrolle über den Senat spiegeln sich die wahren Kräfteverhältnisse Amerikas recht genau. Die Bevölkerungsmehrheit aus den dicht besiedelten städtischen Regionen setzt sich in der Volkskammer im Kongress durch, und der «regionale Minderheitenschutz» des föderalistischen Systems favorisiert das weite Hinterland und damit die republikanische Dominanz in der Vertretung der Gliedstaaten.

Dieses Resultat erlaubt, dass beide Seiten sich als Sieger ausrufen können. Es ermöglicht den Demokraten im Repräsentantenhaus für die nächsten zwei Jahre eine parlamentarische Aufsicht über die Regierungstätigkeit, von der sich die Republikaner in den letzten zwei Jahren aus Gründen der «Stammesloyalität» weitgehend verabschiedet haben. Die Grand Old Party kann dagegen mit dem Weissen Haus und dem Senat in ihrer Hand einige ihrer Kerngeschäfte weiterführen. Sie ist künftig nicht mehr abhängig von ein, zwei Wackelkandidaten, wenn es um die Besetzung wichtiger Ämter in der Regierung oder um das Bestücken des Gerichtswesens mit konservativen Richtern geht.

Hinter den demonstrativen Siegesfeiern beider Lager verstecken sich jedoch grosse Unterschiede in den Erfolgsbilanzen. Die Republikaner haben sich erheblich besser geschlagen, als erwartet wurde, während die vorausgesagte Flutwelle der Begeisterung für die Demokraten eine recht bescheidene Woge blieb, zu harmlos jedenfalls, als dass sie die republikanischen Dämme hätte brechen können.

Seit dem Zweiten Weltkrieg, so errechnete das Meinungsforschungsinstitut Gallup, verlor die Partei eines Präsidenten mit einer Zustimmungsquote unterhalb von 50 Prozent in der ersten Kongresswahl nach seiner Amtsübernahme im Durchschnitt 37 Sitze im Repräsentantenhaus. Trumps Zustimmungsquote liegt weit tiefer, bei 40 Prozent. Dennoch scheint es, als hätten die Demokraten den Durchschnittswert klar verfehlt.





Wie bereits in der Präsidentenwahl 2016 waren ihre Erwartungen zum Teil weit überrissen. Viele ihrer bekanntesten Stars, die in den Meinungsumfragen realistische Chancen zu haben schienen, mussten eine deutliche Niederlage einstecken. Ein republikanischer Analytiker führte das gegenüber der Nachrichtenplattform Axios auf den Umstand zurück, dass zwei bis drei Prozent der Trump-Wähler in den Umfragen nicht die Wahrheit sagten, weil sie Umfragen für ein Kontrollinstrument der Eliten hielten. Das mag sich auf den ersten Blick abenteuerlich anhören, würde aber so manche Fehleinschätzung von Meinungsumfragen in den letzten Jahren erklären.

Viel ist nun die Rede vom hasserfüllten Wahlkampf Trumps. Zum einen ist festzuhalten, dass dieser offensichtlich funktionierte, wie übrigens schon 2016. Zum andern braucht man sich nur in Foren umzuhören, die ein republikanisches Publikum anziehen, um die Bestätigung zu erhalten, dass auch der Wahlkampf der Demokraten mit seiner Dämonisierung Trumps und mit lärmigen Protesten oft als Hasskampagne empfunden wurde.

«Das Organisieren von Hass»

Dass Abneigung, Angst und Ablehnung für die Mobilisierung der eigenen Anhänger bedeutend wirkungsmächtiger sind als Zuneigung oder Zustimmung, mag dem Wunschtraum einer harmonischen Ausgeglichenheit in der Welt widersprechen. Es ist aber hundertfach bewiesen. Entgegen den verbreiteten Klagen ist diese Tatsache auch nichts Neues.

Vor mehr als hundert Jahren studierte Henry Adams, ein Spross aus der Familie von zwei amerikanischen Präsidenten, mit besonderer Leidenschaft die Mechanik der Politik und widmete der Demokratie sogar einen Roman. In seinen postum veröffentlichten Memoiren, «The Education of Henry Adams», gelangte er bereits im ersten Kapitel zur Erkenntnis: «In ihrer Anwendung war Politik, egal welcher Ausrichtung, schon immer das systematische Organisieren von Hass.»

In Trumps Rhetorik, für manche reine Demagogie, spielen die Furcht vor Überfremdung und die Abwehr von demografischen Veränderungen eine wesentliche Rolle. Seine Mauer war nie nur das «schöne Bauwerk», das er in seinen Wahlkampfreden anpries, sondern immer auch ein Symbol: Die Grenze, die es zu schützen gilt, liegt nicht nur im Südwesten, sondern ebenso in den Köpfen vieler Amerikanerinnen und Amerikaner.





Es ist abstossend, dass Trump verzweifelte Männer, Frauen und Kinder aus Zentralamerika auf dem Marsch zur amerikanischen Grenze als blutrünstige, gleichzeitig aber von übelsten Krankheiten verzehrte Eindringlinge bezeichnet, die mit militärischer Gewalt abgewehrt werden müssten. Aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Art böswilliger Übertreibung auch deswegen so offensichtlich funktioniert, weil die Gegenseite zur Frage der Zuwanderung keine Antworten hat.

Wenn sich die Rauchschwaden dieser Kongresswahl verzogen haben, wird bereits der Schatten der nächsten Präsidenten- und Kongresswahl von 2020 sichtbar. Wollen die Demokraten die Kräfteverhältnisse ändern, in denen sie gegenwärtig gefangen zu sein scheinen, müssen sie nicht nur eine ausserordentlich charismatische Person für das Rennen um den Einzug ins Weisse Haus aufbieten. Sie müssen auch Antworten finden, die abseits der Küsten und grossen Städte auf Resonanz stossen. Im Rust Belt entlang der Grossen Seen ist ihnen das im Vergleich zu 2016 zum Teil bereits gelungen. In anderen Gegenden, oft wahren Hochburgen der Republikaner wie Texas, Georgia oder Arizona, haben sie zwar verloren, doch ihre Kandidatinnen und Kandidaten konnten die Arena erhobenen Hauptes verlassen. Auf diesen Achtungserfolgen müssen sie aufbauen, oder sie werden in zwei Jahren noch viel deutlicher an Trump scheitern.