Der Buddhismus


Artikel verfasst von

Maike

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Quelle Image:   © Foto: Napalai Studio/Shutterstock.com

 

Ein bisschen aufgeregt ist Yoshi schon. Welche Frage wird ihm sein Meister wohl stellen? Aha, da kommt sie: In Tokio steht eine große Buddhastatue. Warum setzt sich ein Vogel darauf?

Hmm. Yoshi zieht die Stirn in Falten. Ganz schön knifflig, findet der japanische Junge. Bis er darauf eine Antwort gefunden hat, wird er sicher lange nachdenken müssen.

Zur gleichen Zeit in China: Nachdenken? Nein, das hat Wong nicht nötig. Zack! Sein Bein schnellt nach vorn – das geht so automatisch wie ein Atemzug. Der Knabe springt herum und lässt die Hände durch die Luft wirbeln. Stünde vor ihm ein Gegner, wäre der jetzt windelweich geprügelt. Wong trainiert täglich Kung-Fu bis zum Umfallen.

Noch eine Reise, in den Süden, nach Thailand: Eine milde Gabe – bittet Biaw – und hält seine Schüssel demütig vor sich hin. Heute ist er wieder mit dem Sammeln von Almosen dran. Die Menschen in der Gegend sind bitterarm. Aber großzügig. Spenden, das wissen sie, macht glücklich. Eine kleine Münze nach der anderen landet in Biaws Gefäß.

 

Buddhismus: Glaube von 360 Millionen Menschen

Der Buddhismus

Gavin Hellier/JAI/Corbis

Orange ist die Farbe der höchsten menschlichen Erleuchtung, darum tragen auch die Mönchen orangene Gewänder





Kaum zu glauben: So unterschiedlich ihr Tag aussieht – Yoshi, Wong und Biaw haben vieles gemeinsam. Alle drei sind nämlich buddhistische Mönche. Sie bekennen sich zum Buddhismus‚ einer der großen Weltreligionen, an die heute rund 360 Millionen Menschen glauben. Yoshi lernt in einem Zen-Kloster, in dem Meister ihre Schüler gern mit Rätseln verwirren. Wong wohnt im berühmten Shaolin-Kloster, in dem Mönche aus alten Kampfkünsten vor 1500 Jahren ihren Kung-Fu-Stil entwickelt haben. Und Biaw lebt in einem der 40000 Klöster in Thailand. Für die Mönche dort gehört das Spendensammeln zu ihren normalen Aufgaben.

 

Buddha, alias Siddartha

Der Buddhismus hat seinen Namen von dem Wanderprediger Buddha, der lange vor Christi Geburt am Fuß des Himalaya lebte. Wer war dieser Buddha? Allzu viel wissen die Experten heute nicht. Denn in mehr als 2000 Jahren haben sich Tatsachen über das Leben des Religionsstifters mit blumigen Legenden vermischt.

Sicher scheint, dass er als Sohn eines Fürsten in der Stadt Lumbini zur Welt kam, etwa um 560 vor Christus, und Siddhartha Gautama hieß. Bis er 29 Jahre alt war, soll Siddhartha ein Leben in unglaublichem Luxus geführt haben: Bei Tag halten Diener weiße Schirme über ihn, um sein edles Haupt vor den Strahlen der Sonne zu schützen. Die Zeit vertreibt er sich in einem Harem mit wunderschönen Tänzerinnen. „Ich hatte einen Palast für den Sommer, einen für den Winter und einen für die Regenzeit“, erzählt der Fürstensohn später.

Buddhistische Mönche

Tawan Boonnak/Colourbox

Buddhistische Mönche im Gebet

 

Unter einem Feigenbaum wird Siddartha erleuchtet

Ein Paradies – aber Siddharthas Leben nimmt eine überraschende Wendung: Auf Ausflügen sieht er einen alten Mann, einen Kranken und einen Toten. Der Verwöhnte erkennt, wie vergänglich sein Glück ist: Einige Jahre noch, dann wird auch er sterben! Und all sein Gold wird ihm nicht helfen!

Siddhartha überlegt, wie er dem Unglück entkommen kann. Er verlässt seinen Palast und wandert herum, wie es zu dieser Zeit viele heilige Männer im Norden Indiens tun. Sieben Jahre ernährt er sich von Almosen. Fastet, bis er fast wie ein Skelett aussieht.

Dann erkennt Siddhartha unter einem Feigenbaum plötzlich den Weg zur Erlösung! In Zukunft nennen ihn die Menschen ehrfürchtig Buddha – das heißt "der Erleuchtete".





Was Buddha seinen Zuhörern erzählt, klingt für viele Europäer bis heute komisch. Denn einige Dinge, die im Christentum oder im Islam selbstverständlich sind, fehlen: Es gibt kein Paradies. Ja, es gibt nicht einmal einen allmächtigen Gott! Dafür spielt in Buddhas Lehre das Leiden eine große Rolle: Alles Leben ist Leiden, lehrt er – denn es besteht aus Krankheit, Unglück und Schmerz.

 

Das Leben: kein Anfang und kein Ende

Schlimmer noch: Der Mensch ist auf ewig an sein Leiden gefesselt. Buddhisten glauben an die Wiedergeburt. Für sie hat das Leben nicht Anfang und Ende. Es gleicht eher einem Rad, das sich ständig dreht. Nach dem Tod kommt der Mensch wieder in neuer Gestalt zur Welt: als Mensch, als Tier, als Geist – alles ist möglich. Er lebt und stirbt. Lebt und stirbt wieder... Und so fort.

Ist eine Flucht aus dem qualvollen Gefängnis möglich? Buddha zeigt den Weg zur Erlösung: den „Achtfachen Pfad“ (siehe Kasten). Um ihr Schicksal zu verbessern, sollen die Menschen bestimmte Regeln befolgen – zum Beispiel friedlich handeln. Dann können sie im nächsten Leben als etwas „Besseres“ zur Welt kommen.

Etwa als Kind reicher Eltern. Wer fromm genug ist, kann dem ewigen Kreislauf sogar entkommen und in das Nirwana eingehen. Darunter verstehen Buddhisten einen Zustand, in dem alles Leiden aufhört.

Nach Buddhas Tod breitet sich seine sanfte Lehre fast in ganz Asien aus: Mönche bringen die Religion nach Myanmar, Thailand und Sri Lanka. Im Norden gelangt die Lehre‑im 1. Jahrhundert nach Christus in das riesige China und springt von dort nach Korea und Japan über.

Überall entstehen Klöster, die von der Bevölkerung meist gern versorgt werden. Denn Mönchen zu spenden, ist eine gute Tat – und bringt Segen für das nächste Leben.

 

Der achtfache Pfad des Buddhismus

Christen haben von Gott zehn Gebote erhalten, Juden sogar 613. Auch Buddhisten müssen acht Regeln beachten, wenn sie Schritt für Schritt erlöst werden wollen. Buddha hat diese Schritte den Achtfachen Pfad genannt. Der erste Schritt ist das richtige Denken: Die Gläubigen müssen erkennen, dass sie ihr Schicksal durch gute Taten verbessern und durch böse Taten verschlechtern. Dabei ist schon, zweitens, die richtige Gesinnung wichtig: Menschen dürfen nicht gierig sein, andere Lebewesen hassen oder täuschen.

Stattdessen sollen sie gütig und milde sein – und recht reden, also nicht lügen. Das ist der dritte Schritt. Der vierte Schritt ist das richtige Handeln. Dies ist für Buddhisten friedlich: Töten und Stehlen sind schwere Sünden. Fünftens muss der Gläubige richtig leben.

Dazu gehört auch der Beruf: Verwerflich sind alle Tätigkeiten, die Menschen schaden – etwa mit Waffen oder Alkohol zu handeln. Durch rechtes Streben, den sechsten Schritt, sollen die Menschen ihre bösen Gedanken bekämpfen und edle Gedanken in sich wecken.

Der siebte Schritt ist die rechte Achtsamkeit: Indem sie den Augenblick bewusst wahrnehmen, zum Beispiel einen Atemzug, können Buddhisten erkennen, wie vergänglich ihr Körper ist; das ist ein Weg, um Gier, Schmerz und Trübsal zu überwinden. Ganz wichtig ist für Buddha auch die Meditation. Das ist eine Übung, bei der Menschen still dasitzen und sich konzentrieren. Damit kann der achte Schritt gelingen, das rechte Sichversenken.

 

Buddhisten zwingen niemanden ihren Glauben auf

Der Buddhismus

P Deliss/Godong/Corbis

Tenzin Gyatso ist der 14. Dalai Lama

Im Gegensatz zu vielen Anhängern anderer Religionen gehen die Buddhisten friedlich vor: Sie überreden „Ungläubige“ nicht mit dem Schwert zum „richtigen Glauben“ – wie das zum Beispiel bei Christen oft geschah.

Stattdessen lassen sie die Kulte der einheimischen Bevölkerung gelten: Als sie nach Japan kommen, beten die Menschen dort ihre alten Naturgötter an. Was tun die buddhistischen Mönche? Sie erklären prompt, dass diese Shinto-Gottheiten in Wirklichkeit Buddha seien – er habe nur eine andere Form angenommen. Und schon können Japaner zu dem neuen Glauben übertreten, ohne sich umstellen zu müssen.

 

Pagode in Myanmar

Ivan Mateev/Colourbox

Die Shwezigon Pagode in Bagan, Myanmar

 

Weil sich der Buddhismus in jedem Land anpasst, sind bis heute unzählige Formen seiner Lehre entstanden: In Thailand oder Myanmar hängen die Gläubigen dem Theravada-Buddhismus an, der recht genau den Worten Buddhas folgt. Es gibt den Tantra-Buddhismus, in dem die Gläubigen Zauberformeln sprechen.





Und es gibt Formen wie den Zen-Buddhismus, dessen Anhänger Erleuchtung suchen, indem sie tagelang stillsitzen oder mit Tusche malen.