Bulgarien gilt als Russlands trojanisches Pferd. Doch jetzt bockt es.


Artikel verfasst von

Maike

https://wunderwelt.red/




Quelle Image: https://www.nzz.ch/international/russlands-trojanisches-pferd-bockt-ld.1542609?utm_source=pocket-newtab

 

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üdosteuropa ist für die Destabilisierungspolitik des Kremls ein wichtiger Schauplatz. Obwohl viele Länder der Region traditionell russlandfreundlich sind, lässt man sich nicht alles bieten. Das zeigt Bulgarien.


 

Als der bulgarische Waffenfabrikant Emilian Gebrew 2018 vom Anschlag gegen den früheren russischen Doppelagenten Sergei Skripal hörte, kam ihm manches bekannt vor. Gebrew war 2015 selber Opfer zweier mysteriöser Anschläge geworden, die er nur knapp überlebte. Der Waffenfabrikant vermutete, ebenfalls vom russischen Geheimdienst ins Visier genommen worden zu sein.

Hatten die Täter vielleicht sogar denselben Giftstoff, Nowitschok, verwendet? Waren es seine Waffenlieferungen an die Ukraine, die Moskau auf ihn aufmerksam machten? Oder hatte ein Konkurrent auf die Hilfe der Russen zurückgegriffen, um ihn auszuschalten?

Gebrew wandte sich mit seinem Verdacht an die Behörden seines Landes, doch diese verfolgten die neue Spur mit wenig Interesse. Die erste Untersuchung war bereits 2016 eingestellt worden. Auch der Skripal-Fall löste keine Reaktion in Sofia aus. 

Anders als die Mehrzahl der Mitgliedsstaaten von EU und Nato verwies die bulgarische Regierung nach dem Giftanschlag von Salisbury keine russischen Diplomaten des Landes. Die bulgarisch-russische Freundschaft hält einiges aus. 

 

Die gleichen Täter wie bei Skripal

Doch mittlerweile hat der Wind gedreht. Am 24. Januar erklärte die bulgarische Regierung, dass zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Sofia im Zusammenhang mit dem Fall Gebrew das Land verlassen müssten.

Tags zuvor hatte Generalstaatsanwalt Iwan Geschew Anklage gegen drei Mitglieder des russischen Militärgeheimdienstes GRU erhoben. Einer von ihnen, Denis Sergejew (alias Sergei Fedotow), wird auch im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Skripal gesucht.

Zudem gibt es Hinweise, dass ein weiteres Mitglied des Trios, das Gebrew vergiftete, den Anschlag auf Skripal koordinierte. Wie das britische Rechercheportal «Bellingcat» in Zusammenarbeit mit dem «Tages-Anzeiger» und der russischen Internetpublikation «The Insider» am Dienstag veröffentlichte, lebte Egor Gordienko (alias Georgi Gorschkow) bis zum Herbst 2018 in Genf. Die Skripal-Attentäter reisten vor dem Anschlag mehrmals in die Westschweiz, vermutlich, um sich mit Gordienko zu treffen. 

 

«Hybride Kriegsführung»

Die Verbindung zwischen den beiden Fällen liefert einen weiteren Hinweis auf eine für besonders heikle Einsätze vorgesehene Sondereinheit des GRU. Bereits im vergangenen Jahr hatte Bellingcat auf deren Existenz hingewiesen. Neben den Anschlägen auf Skripal und Gebrew wird die «Einheit 29155» auch mit einem dilettantischen Putschversuch in Montenegro von 2016 in Verbindung gebracht.


 
RaZa.red

 

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Solche Geheimdienstaktionen gehören zu Russlands Strategie der hybriden Kriegsführung, die darauf abzielt, mit geringem Ressourcenaufwand den westlichen Einfluss zu stören und zurückzudrängen. Ein wichtiger Schauplatz dafür ist Südosteuropa.

Ausser Bulgarien und Montenegro wurden in den letzten Jahren auch in Nordmazedonien, Griechenland und in der Moldau politische Sabotageakte auf russische Dienste zurückgeführt. Neben der mancherorts traditionell starken Stellung Moskaus verschafft das westliche Desengagement und die schwindende Option eines EU-Beitritts den Russen Spielraum. 

Enge Verbindungen

Woher kommt der bulgarische Stimmungswandel? Die Verbindungen zwischen Bulgarien und Russland sind eng. In Energiefragen etwa ist das Land praktisch vollständig von Russland abhängig. Das gesamte Gas bezieht man von Gazprom, ein zweites Kernkraftwerk russischer Bauart ist geplant. Die russische Lukoil ist die grösste Firma im Land. 

Die Bulgaren sind sehr russlandfreundlich. 73 Prozent haben laut einer Umfrage ein positives Bild vom grossen orthodoxen Bruderstaat. Das hat kulturelle, religiöse und historische Gründe.

Wohl nirgends ausserhalb der früheren Sowjetunion wird Russisch so breit verstanden wie im Land zwischen Donau und Rhodopen. Bulgarien erlangte seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich nach dem russisch-türkischen Krieg von 1877/78. Im Zentrum Sofias steht bis heute ein Denkmal von Zar Alexander II., «dem Befreier».

Selbst gegenüber Serbien, einem anderen treuen Verbündeten Russlands, hebt sich Bulgariens Russophilie ab: Man blieb – anders als die Jugoslawen – auch im Sozialismus an Moskaus Seite. Auch nach der Wende war man sich in Moskau der bulgarischen Loyalität sicher. Der russische EU-Botschafter bezeichnete Bulgarien kurz vor dessen Beitritt zur Union als Russlands trojanisches Pferd in der EU.

 

Kein Erfüllungsgehilfe

Obwohl das Zitat mittlerweile sprichwörtlich ist, ist das Bild vereinfacht. Als die EU im Zuge der Krim-Krise beschloss, das Pipeline-Projekt South Stream von der russischen an die bulgarische Schwarzmeerküste aufzugeben, fügte sich Sofia schliesslich.

Bulgarien ist kein Vorzeigepartner des Westens, aber auch kein Erfüllungsgehilfe Moskaus. Vielmehr versucht das Land den Spagat zwischen West und Ost.

So wurden im vergangenen Jahr Bauarbeiten für eine Pipeline zu einem geplanten Flüssiggas-Terminal in Griechenland aufgenommen, über den Bulgarien künftig amerikanisches Gas beziehen könnte. Im Januar nahm der bulgarische Regierungschef als Ehrengast an der feierlichen Eröffnung der türkisch-russischen Pipeline Turk Stream in Istanbul teil. Die Gasleitung durch das Schwarze Meer wird Russlands Position in Südosteuropa weiter stärken. 

Im Juli beschloss Sofia, die noch sowjetisch geprägte Luftwaffe mit amerikanischen F-16-Flugzeugen zu erneuern und so die Kompatibilität mit den Nato-Partnern zu erhöhen. Gleichzeitig gibt es Gerüchte, der Kreml sei an der Übernahme eines riesigen Sportkomplexes an der Schwarzmeer-Küste interessiert, zu unbekannten Zwecken. Die Ausgleichsbemühungen zwischen Ost und West spiegeln sich sogar in den höchsten Regierungsämtern wieder. Während Borisow sich prowestlich präsentiert, pflegt Präsident Radew die Nähe zu Moskau. 

 

Abhängigkeit verringern

Wie die meisten Balkanstaaten wird Bulgarien auch künftig russische Interessen in der Region nicht ignorieren können. Moskaus Einfluss ist eine Tatsache. Dass es sich lohnt, die Abhängigkeit zu verringern, ist ebenso unbestritten.

Die alternative Route zur Gasversorgung über Griechenland hat bei den Preisverhandlungen mit Gazprom die bulgarische Position gestärkt. Und mit westlicher Rückendeckung kann man es sich auch erlauben, auf eine besonders dreiste Aktion des russischen Geheimdienstes entschieden zu reagieren. Doch die wirksamste Strategie gegen die russischen Destabilisierungsversuche in der Region ist ein entschlossenes Engagement des Westens.

 


 
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