Verborgene Teilchen? Die mysteriöse Gallium-Anomalie







Gallium-Anomalie: Ein komplexes Rätsel der Physik wird noch rätselhafter


 

Wenn Neutrinos auf das Metall Gallium treffen, entsteht Germanium – jedoch in zu geringer Menge. Neue Experimente bestätigen diese Anomalie, die auf ein neues Teilchen hinweisen könnte. Ein seltsames Ergebnis eines Messinstruments führt normalerweise dazu, dass man das Gerät kalibriert. Vor etwa 30 Jahren wurde bei einigen Neutrino-Experimenten ein ähnlicher Ansatz verfolgt. Niemand konnte jedoch vorhersehen, welche Konsequenzen das haben würde.

Neutrinos sind die leichtesten und flüchtigsten bekannten Elementarteilchen. Sie sind verwandt mit Elektronen, aber viel leichter und interagieren nur selten mit der Materie unserer Alltagswelt. In der Sonne werden sie in großen Mengen produziert und durchdringen uns milliardenfach ohne Spuren zu hinterlassen.

Nach dem ersten Nachweis der Existenz dieser von Wolfgang Pauli vorhergesagten Teilchen konzentrierte sich die Forschung auf den Neutrinostrom. Doch bei Messungen in einem unterirdischen Neutrinolabor im Kaukasus stellte sich heraus, dass viel weniger Neutrinos von der Sonne kamen als erwartet.

 

Neutrinos aus der Sonne und radioaktiven Quellen: Ein direkter Vergleich zur Untersuchung der Gallium-Anomalie

Daraufhin versuchte man, Neutrinos aus radioaktiven Zerfallsprozessen von bekannten Materialmengen zu messen, um die Neutrinoproduktion in der Sonne besser zu verstehen. Auch dieser Versuch scheiterte auf interessante Weise: Es wurden etwa 20 Prozent weniger Neutrinos gemessen als erwartet. Für die fehlenden Sonnenneutrinos fand man bald eine Erklärung – sie verwandeln sich in andere Sorten – doch das Rätsel um die fehlenden 20 Prozent aus radioaktiven Prozessen blieb ungelöst.

Ein internationales Projekt: Die Entstehung der Gallium-Anomalie durch Ost-West-Kollaboration

Das Problem wurde auf die Wechselwirkung der Neutrinos mit Gallium zurückgeführt. Gallium, ein bei Raumtemperatur flüssiges Metall, wurde verwendet, um Neutrinos zu zählen, da es sich beim Kontakt mit ihnen in eine radioaktive Variante von Germanium (71Ge) umwandelt. Ein Experiment in den 1990er Jahren, eine US-sowjetische Kooperation namens "Sage", versuchte dies zu untersuchen. In einem unterirdischen Labor im russischen Baksan-Tal wurden 57 Tonnen Gallium in Behältern überwacht. Ein ähnliches Experiment namens "Gallex" im italienischen Gran Sasso Lab kam zu ähnlichen Ergebnissen: Es entstand zu wenig Germanium, und die Gallium-Anomalie war geboren.




 

Neutrinos und Gallium: Anhaltende Studien und Theorien

Seitdem wurden zahlreiche Versuche unternommen, das Phänomen zu verstehen, jedoch ohne Erfolg. "Jeder hoffte, dass die Anomalie verschwinden würde", sagt Wick Haxton von der University of California, Berkeley. Eine mögliche Erklärung besagt, dass sich Neutrinos in eine bisher unbekannte, schwerere Sorte verwandeln, bevor sie mit Gallium interagieren – sogenannte "sterile" Neutrinos. Diese Hypothese konnte jedoch durch Experimente mit Sonnenneutrinos und in Reaktoren erzeugten Neutrinos nicht bestätigt werden.

Neue Ansätze in der Forschung: Ungewöhnliche Methoden zur Untersuchung der Gallium-Anomalie

Da die Anomalie in mehreren Laboren auftrat, glaubte man zunächst an einen experimentellen Fehler. Im Jahr 2014 wiederholte man das Experiment mit zwei statt einer Galliumkammer im "Sage"-Labor. Das Experiment lief bis 2022 und zeigte, dass die Entfernung zur Neutrinoquelle keine Rolle spielt. "Wir können keine große Unsicherheit in unseren experimentellen Abläufen finden", sagt Vladislav Barinov von der russischen Akademie der Wissenschaften.

Eine andere unkonventionelle Erklärung bezog sich auf den offiziellen Wert der Halbwertszeit von 71Ge. Nach einer neuen Bestimmung wich dieser jedoch nur minimal vom Wert von 1985 ab, was das Problem nicht löste.

Höchste Präzision: Die Daten der Gallium-Anomalie erreichen neuen Qualitätsstandard

Mittlerweile haben die Daten den 5-Sigma-Standard erreicht, der in der Teilchenphysik für signifikante Ergebnisse gefordert wird. Die Wahrscheinlichkeit eines Zufalls ist also extrem gering. Sollte ein bislang unbekannter physikalischer Effekt die Ursache sein, könnte dies wertvolle Informationen über ungelöste Probleme der Physik liefern. Insbesondere bei der Suche nach Dunkler Materie ist jedes neue Teilchen von Interesse.




 

Die Gallium-Anomalie deutet auf ein neues, leichtes Neutrino hin, was jedoch in vielen Modellen der Dunklen Materie nicht als ausreichende Erklärung gilt. Die Unfähigkeit, einen Fehler in den Experimenten zu finden, verhindert jedoch, dass die Hypothese einer neuen Physik vollständig verworfen wird. Eric Norman von der University of California Berkeley nennt die Anomalie "eine der überzeugendsten Anomalien in der Neutrinophysik derzeit". Vielleicht sind diese kuriosen Daten tatsächlich der Beginn einer Revolution in der Physik.











Artikel verfasst von

Amparo Vollmer

https://wunderwelt.red/


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